Über einen Monat keine Zeile hier auf dem Blog. Normalerweise ist die Herbst- und beginnenden Adventzeit die stillste Zeit in meinem Leben. Vor allem als meine heute erwachsenen Kinder bei mir lebten. Meistens waren sie hintereinander kränkelnd und die gemütliche Zeit begann.
Gleich zu Beginn schicke ich etwas voraus: sowohl das Bannerfoto als auch das letzte Foto in der Reihe sind von unserem Foto.Raum-Mitglied Arash Leilami. Ich danke dir, dass ich deine wundervollen Fotos verwenden darf!
Heuer ist alles anders. Gerade war noch ein prachtvoller, bunter Herbst. Nun ist es klirrend kalt. Seit Jahren einmal wieder Schnee Ende November, der auch jetzt, Anfang Dezember, das bisschen Licht dieser kurzen Tage reflektiert. Ich kann keinem sagen, wie sehr ich mich auf den 21. Dezember, den kürzesten Tag und die längste Nacht, freue. Dann gehts wieder aufwärts, mit dem Licht. Und mit mir.
Gerade bin ich heimgekehrt von einem Zukunftsfest in Klagenfurt. Meine beiden WIMO-Menté(e)s, Lina (15) und Mahdi (wahrscheinlich 18) sowie Lina’s Schwester Diana (18) haben mich begleitet. Ich bin bis zu ihrem Praktikum im März ihre Mentorin und helfe ihnen dabei im Idealfall, bis Herbst Lehrstellenplätze zu finden. Mahdi möchte Automechaniker werden. Auf keinen Fall Gärtner. Trotzdem schaut er sich mit mir demnächst ein Gewächshaus an. Irgendwas hat er da erlebt in den letzten Jahren. Sein Plan B in der Berufswahl ist Elektriker. Lina möchte am liebsten wie ihre große Schwester Krankenschwester sein. Bei näherem Nachfragen stellt sich heraus, dass sie sich auch vorstellen könnte, als Kindergärntnerin zu arbeiten. Auch die Automechanikerin interessiert sie. Oder sie findet eine Lehrstelle im Einzelhandel, bevorzugt Billa, Spar oder Merkur. Langsam lernen wir uns kennen, wir drei. Die drei jungen Menschen benehmen sich formvollendet höflich. Alle drei hassen das Warten auf ihr Interview. Und ihre Angst vorm negativen Bescheid oder einem zweiten negativen Bescheid nach dem Einspruch. In der Ausbildung ProVol, die mir vor ein paar Wochen in den Schoß fiel, höre ich wieder von der Maslow’schen Bedürfnispyramide. Wie schnell das Ende der Stressleiter erreicht ist, wenn Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. Struktur, ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung, Wohnen, Essen, Schlafen. Ich habe absolut keine Ahnung, wie es in den jungen Menschen innen drinnen aussieht. Sie geben alles, was sie geben können. Nebenbei lerne ich, aus der reinen Beschäftigung heraus Richtung Praktikum, Lehrstelle und Teilnehmen an unserer Wirtschaft zu denken und aktiv zu werden. Auch das – ein ganz neues Feld für mich. Und perfekt und passend für 2018.
Neben diesen wöchentlichen Treffen mit meinen Schützlingen sind drei (!) Projekte in der Entstehungsphase, von denen sich nächstes Jahr heraus stellen wird, ob sie auf die Erde kommen (wollen). Oder nicht. Oder anders. Schon lange habe ich aufgehört, irgendetwas zu wollen. Der Weg des Kreativen, des Künstlers. Wenn du ihn gehst, öffnen sich Türen, die vorher nicht da waren. Und ich gehe, hüpfe, springe. Ruhe ein bisschen aus. Schreibe Konzepte, treffe mich mit derzeit mit richtig vielen Menschen. Und ich gehe weiter. Allein. Mit meinem Mann und unserem Schützling Sami. Und in der Gruppe.
Am meisten Ruhe erlebe ich in meiner geliebten Werkstatt. Egal ob ich alleine da sitze oder mit Menschen, die mit mir arbeiten. Das erdet mich, das bringt mir die gewünschte Entspannung und vor allem Bodenhaftung. Mein Patchworkjackenprojekt ist nach zwei Jahren und vielen Hängern und Aufgebenwollen fertig. Als die Jacke fertig vor mir lag, war sie mir deutlich zu bunt. Doch ich trage sie stolz. Sie wärmt mich. Ich liebe sie, kenne jedes einzelne Stoffstück. Jeder Stoff ist absolut biologisch einwandfrei, weil hunderte Male gewaschen. Und ich werde auf meine bunte Jacke angeredet. Haha, sie ist wirklich auffällig! Wenn ihr genau schaut, seht ihr mich zur Abwechslung auf dem letzten Foto dieser Seite. In meiner Jacke. Hinter den Schneeflocken!
Eine Babypuppe nach der anderen entsteht unter meinen Händen. Die dazu passenden Taschen mit ihren Innen- und Außentaschen und ihrem speziellen Look nähe ich schon recht locker an einem Arbeitstag. Ich liebe diese Intensivtage mit meiner Puppen- und Filzlehrerin. Wir lernen uns einerseits immer besser kennen. Und trauen uns zu zweit über viel mehr Neuerungen drüber. Alle drei Maschinen sind voll im Einsatz, die Haushaltsnähmaschine, die Industrienähmaschine und die vierfädige Overlock. Falls jemand sich mit meiner zweifädigen Babylock herumärgern will, ich schenke sie her. Ernsthaft. Meldet euch einfach. Für meine Bedürfnisse reicht sie leider nicht.
Filzen geht mir immer leichter von der Hand, wird logischer und überschaubarer. Auch hier schätze ich das Alleinarbeiten genauso wie das Arbeiten in der Gruppe. Und mir fällt auf, wieviele Stunden länger ich im Sommer arbeite. Im Winter ist alles anders, so ein Tag ist viel zu schnell um. Gerade erst eingeheizt und warm – und schon ist es wieder dunkel draußen.
Dann ist da Klaudia’s interkulturelles Tanztheaterprojekt mit dem Verein VOBIS. Keine Ahnung, warum ich immer genau das tun muss, wovor ich mich am meisten fürchte. Nun gibt es kein zurück mehr. Die anderen verlassen sich auf mich so, wie ich mich auf sie verlasse. Dieser mittelalte Körper muss sich bewegen, soll sich Schritte und Figuren merken und mit völlig unbekannten moves da sein. Immer wieder rette ich mich hinter meine Kamera. Die mir Klaudia ebenso gern aus der Hand nimmt, damit ich nicht so leicht davon komme. Ich schwöre, ich gebe mein Bestes. Es tut mir psychisch ausgesprochen gut, so ein blutiger Anfänger zu sein, zu sehen, wie leicht es meiner Freundin fällt, den ganzen Körper mit Eleganz und Verve zu bewegen. Sie kann das einfach! Jeder von uns kann irgendwas besonders gut. Ich vergesse immer wieder, was es bedeutet, ganz am Anfang zu stehen. Beim Fotografieren, beim Nähen, beim Filzen. Als Tanzanfängerin hole ich mich vom hohen Ross. Vor der privaten Aufführung am zwanzigsten fürchte ich mich still, weil ich die Gruppe nicht blamieren will. Und ich finde es eigentlich zum Schreien komisch, das ich dabei bin.
Unsere interkulturelle Fotogruppe ist für mich die absolute Bestätigung, wie leicht interkulturelle Integration funktioniert. Leute, ich liebe euch. Da wird geholfen und erklärt, gedolmetscht und gequasselt, sich geärgert und ein gelungener shot gefeiert. Unerschrockene, tapfere Menschen haben sich da gefunden. Die Ergebnisse sind vollkommen überraschend und hauen mich manchmal auch einfach um. Ich hab mir ein Konzept ausgedacht, das besser funktioniert als alles davor. Wir arbeiten altersheterogen, mit Anfängern, Fortgeschrittenen und sogar einem Profi. Es macht allen und auch mir Riesenfreude. Ich ahne, dass nun auch die Smartphones und I-Phones in die Fotografie Einzug halten. Und nein, aber nein – die Fotokunst stirbt nicht. Sie ist lebendiger denn je. Da ist der Plafond des Ausprobierens im Ansatz noch nicht erreicht.