Puppen.Raum

Als ich vor 25 Jahren begann, einfache Puppen herzustellen, erfasste mich die Begeisterung sofort. Meine beiden Großen waren gerade in der Schule. Ich, die Alleinerzieherin, war am Weg, mein Leben in die eigenen Hände zu nehmen und Geld zu verdienen. Wirtschaftsberater rieten mir dringend von den Puppen davon ab. Keine Möglichkeit, sie zu verkaufen. Kein Markt. Keine Chance. Damals entschied ich schweren Herzens, als gelernte Fotografin und Journalistin dafür zu sorgen, dass wir leben können. Ich verlagerte mein kreatives Tun in die kaum vorhandene Freizeit. Und dort verlief sie sich. Nichts wirklich aufregend Neues. Passiert vielen Menschen.

Seit zweieinhalb Jahren bin ich wieder aktiv. Ein starker, innerer Impuls, kleine Erd-Wesen herzustellen, sie nicht zu verkitschen, sondern sie als kleine, filzige, gestrickte und fast grimmige Wesen in Form von Zwergen sichtbar werden zu lassen. Ich habe mich sowas von geniert, sie herzuzeigen, darüber zu reden. Hätte ich mir nicht knapp vor meinem fünfzigsten Geburtstag versprochen, von nun an auch auf meine innere Stimme zu hören, wäre ich gern davon gelaufen. Dieses Schämen für die innere Stimme zu überwinden war ein steiniger Weg. Meine Freundin Silvia kann ein Lied davon singen.

Nach einer Weile wird mein Wunsch nach “richtigen” Stoffpuppen und anderen Gestalten mächtiger. Mittlerweile entstehen auch Handpuppenköpfe aus Papiermaché. Und ich träume bereits von wilden gefilzten Gestalten auf Drahtgestellen. Ich weiß nicht genau, wohin es geht. Noch weniger, worum es in den inneren Prozessen geht. Die Puppe als Abbild der weiblichen und männlichen Anteile? Das innere Kind, das spielen will? Ich bin nicht die einzige Puppenmacherin auf diesem Planeten, die von sich sagt, das Herstellen einer Puppe sei heilsam. Wir sind einige. Und wir alle brennen dafür. Wenn ich viele Stunden und Tage mit einer Puppe sitze, ihr Gesicht mit Filznadel und Schafwolle forme, die Augen modelliere, die Nase und das Kinn, dann die Ärmchen stopfe, die Füße, den Bauch, den knackigen Po, dann entsteht eine Verbindung zu diesem Wesen aus Schafwolle, Trikot und Nähseide. Nein, eigentlich ist es umgekehrt. Diese Wesen sind hartnäckig und verbinden sich mit mir und meinen Erinnerungen. Ob ich das will oder nicht. Ziemlich magisch und geheimnisvoll.

Und auch ganz schön fordernd. Es gibt Handgriffe zu lernen, etwas zu wagen, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Diese Stoffpuppen haben ein Eigenleben. Denen braucht man nicht mit verkitschten Idealen kommen. Ein Rüschenkleid für die rothaarige Elfe? Ob ich nicht gesehen hätte, dass sie auf Bäume klettern und Baumhäuser bauen wird? Im Rüschenkleid?! Also ausziehen. Latzhose nähen, dicken Pullover stricken, gute Schuhe. Oder der Kopf, der auf den Körper eines zierlichen und lieblichen Mädels hätte kommen sollen. Der mich mich nun als viel zu großer, frecher Lausbub angrinst und mir zu verstehen gibt, er hätte gern kurze, schwarze Locken. Und dieser zarte Strickpullover mit der Goldborte, der eigentlich für die Elfe gedacht war. Der Lausbub ist ganz heiß auf ihn. Da heißt es genau hinhören auf das Raunen und Wispern und Kichern. Denn sonst brechen Filznadeln, streikt die Nähmaschine oder können die Augen ganz neu gemacht werden.

Homepage Lisa Engel

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